Ärztliche Direktorin kritisiert Kommission und weist Verantwortung von sich: „Ich wurde getäuscht“

 

Die Leitende Ärztliche Direktorin des Heidelberger Universitätsklinikums, Annette Grüters-Kieslich, hat vor einer Verschleppung der Aufklärung des Brustkrebstest-Skandals gewarnt: „Wenn der Abschlussbericht der Untersuchungskommission jetzt nicht veröffentlicht wird, wird es schwer, Verantwortungen klar zu benennen“, sagte Grüters-Kieslich im Gespräch mit der Frankfurter Allgemeinen Zeitung (F.A.Z./Samstagsausgabe).

In dieser Woche hatte das Verwaltungsgericht Karlsruhe dem Aufsichtsrat der Klinik untersagt, den Abschlussbericht der Untersuchungskommission zur Aufklärung des Bluttest-Skandals in einer Pressekonferenz öffentlich vorzustellen. Das Gericht hatte das mit dem nicht abgeschlossenen Disziplinarverfahren gegen den Leiter der gynäkologischen Klinik begründet. Außerdem habe die Kommission in die Wissenschaftsfreiheit eingegriffen. Der Klinikdirektor war von der Kommission für die übereilte Ankündigung des unzuverlässigen Tests zur Brustkrebs-Früherkennung mitverantwortlich gemacht worden.

Grüters-Kieslich sieht sich im Klinik-Vorstand keineswegs als hauptverantwortlich für den Skandal. Die Grundlagen für den Skandal seien schon gelegt worden, bevor sie 2017 an die Klinik gekommen seien. Schon im Jahr 2018 habe sie darauf gedrängt, in der medizinischen Fakultät eine Kommission zur guten wissenschaftlichen Praxis einzurichten. „Es sollte auch untersucht werden, ob die Daten, auf deren Basis die für den Brustkrebstest zuständige Biotechnologie-Firma gegründet wurde, belastbar waren“, sagte sie der F.A.Z. 

Grüters-Kieslich macht für die missglückte PR-Kampagne vor allem die  frühere Geschäftsführerin der Universitätsklinik sowie die Biotechnologie-Firma verantwortlich, die den Test auf den Markt bringen wollte. Die Medizinerin sagte, sie habe die Abläufe mittlerweile gründlich geprüft und von der „groß angelegten PR-Kampagne mit Veröffentlichungen in der Yellow Press und in zahlreichen breiten Publikumsmedien“ nichts gewusst, sie sei bis kurz vor der Pressekonferenz, auf der der Test vorgestellt wurde, „systematisch von wesentlichen Informationen“ abgeschnitten worden.

„Den Text des Bild-Interviews sah ich erstmals am Tag vor der Pressekonferenz. Dieser Text lag anderen Mitgliedern des Vorstands schon mehr als zehn Tage vor der Pressekonferenz vor“, sagte die Ärztliche Direktorin, die das Klinikum Ende Oktober verlässt. „Mir wurde am 18. Februar 2019, also drei Tage vor der verhängnisvollen Pressekonferenz in Düsseldorf, der Entwurf einer Pressemitteilung vorgelegt. Diesen habe ich überarbeitet, da mir die Aussagen zu weitgehend waren und ich wollte, dass der Brustkrebs-Test als ergänzendes Verfahren bezeichnet wird und nur von einem theoretisch möglichen Durchbruch gesprochen wird – und auch das, so habe ich es angemerkt, nur unter der Voraussetzung, dass die Daten korrekt interpretiert worden sind.“

Ihre Anmerkungen in der Pressemitteilung seien, so Grüters-Kieslich, in wesentlichen Teilen unberücksichtigt geblieben. Stattdessen seien in den letzten Stunden vor der Pressekonferenz Begriffe wie „Meilenstein“ eingefügt worden, die das Ganze noch sensationsheischender gemacht hätten. „Das geschah ohne meine Zustimmung.“ Sie habe die Pressekonferenz nicht verhindern können.